Zweisam

Dating 50+ und Männergesundheit: Q&A mit Diplom-Psychologe Michael Sztenc

17. Nov. 2023

Der November steht seit 2003 im Zeichen der Männergesundheit, am 17. November ist europäischer Prostatakrebs-Awareness-Tag. Besonders beim Dating kann es allerdings herausfordernd sein, persönliche Themen anzusprechen. Körperliche oder seelische Veränderungen sollten kein Tabu sein – weder für uns selbst, noch für potentielle Partner*innen. 

Im Q&A erzählt Michael Sztenc – Diplom-Psychologe, Paar- und Sexualtherapeut und Experte für männliche Sexualität – welche Vorteile Online-Dating für Männer 50+ bietet, wie man körperliche Veränderungen im Alter bei einem Date oder mit Partner*in kommuniziert, spricht über die männliche Libido und gibt stärkende Impulse für Männer in der Andropause.

Welche Faktoren bezeichnen Sie aus Ihrer Erfahrung als besonders relevant für Männer 50+, wenn es um Veränderungen im Alter in Bezug auf Dating und Beziehungen geht?

MS: Als Quintessenz würde ich behaupten, der wichtigste Faktor ist das Verhältnis von Leistungsfähigkeit zu Genussfähigkeit. Einfach gesagt nimmt die Leistungsfähigkeit in vielen Bereichen aufgrund der – ebenfalls vielfältigen – Veränderungen ab. Das betrifft allerdings nicht die Fähigkeit zu genießen – was auch immer (Intimität, Sex, Bewegung, Begegnung, Essen …). Wer an der altenLeistungsfähigkeit festhält und sich daran misst, wird den neuen Zustand nicht genießen können. Ganz im Gegensatz zu denen, denen es gelingt, aus dem gewohnten Hamsterrad der Effizienz und Leistung auszusteigen und die – statt ständig zu ackern – immer mehr ernten.

Wie gehen Männer mit diesen Veränderungen um? Gibt es allgemeine Tendenzen oder sind die Reaktionen ganz individuell?

MS: Die Reaktionen sind sehr individuell – und auch sehr unterschiedlich in einzelnenLebensbereichen. Zum Beispiel kann es einem Mann gut gelingen, im sportlichenBereich vom Gas zu gehen, im sexuellen Bereich tut er sich vielleicht deutlich schwerer, mit den körperlichen Veränderungen umzugehen. Viele Männer bleiben beim „es geht nicht mehr wie bisher“ stehen und fangen an zu zaudern und zu klagen. Der nächsteSchritt ist, zu einem „jetzt geht es anders“ zu kommen und es so zu gestalten, dass es zur Zufriedenheit führt.

Wie beeinflusst die körperlicheGesundheit das Selbstvertrauen und die Motivation von Männern 50+, sich auf neue romantische Beziehungen einzulassen?

MS: Viele Männer sind seit Kindheit auf Leistung getrimmt. Sie sind fest davon überzeugt, abliefern zu müssen und einer Partnerin oder einem Partner etwas bieten zu müssen. Man(n) will auf keinen Fall Hilfe benötigen oder gar jemandem zur Last fallen. Männer, die ihr Gefühl liebenswert und begehrenswert zu sein, von ihrer Leistungsfähigkeit abhängig machen, kommen viel eher in Probleme, als Männer, die sich mit allen Veränderungen akzeptieren und sich trotz der Veränderungen immer noch gern haben.

Wie kann sich konkret die Andropause auf die Partnersuche auswirken? Was verändert sich möglicherweise?

MS: Ziemlich sicher verändert sich die sexuelle Reaktionsweise dahin, dass alles etwas langsamer abläuft und damit mehr Zeit braucht. So müssen z. B. Männer, die bis 50 sexuell problemlos „funktioniert“ haben, die ihre Erektion quasi immer geschenkt bekamen, auf einmal was dafür tun und aktiv ihre Erregung gestalten. Das kann zutiefst verunsichern. Viele Männer hängen ihre männliche Identität an ihre sexuelle Leistungsfähigkeit (und ihre Erektion) – statt an ihre Genussfähigkeit. Damit wird es schwer, auf potentielle Partner*innen zuzugehen. Viele verlieren die Leichtigkeit im Kontakt und manche sogar komplett den Mut, mit der Überzeugung „Ich habe ja nichts zu bieten.“

Gibt es Vorteile beim Dating 50+?

(Anmerkung Zweisam: z. B. lernt man sich mit zunehmendem Alter noch mal anders selbst kennen und kann dieses persönliche Wachstum im Dating erleben, fühlt man sich selbstbewusster, usw.?)

MS: Das hängt meiner Meinung nach sehr von den bisherigen Erfahrungen ab. Im besten Falle weiß man(n) mit 50+, wer man(n) ist, was man(n) braucht und was nicht, wo die eigenen Verletzlichkeiten sind. Man(n) muss sich selbst nichts mehr vormachen und damit auch dem Mensch gegenüber nicht. Das macht es deutlich leichter, als ständig jemand sein zu wollen, der man gar nicht ist.

Wie können Männer und Frauen gut mit belastenden Symptomen des Älterwerdens umgehen, während sie daten?

MS: Wenn wir in Geschlechterklischees sprechen, entspricht der Leistungsdruck der Männer dem Schönheitsideal der Frauen. Auch im Jahre 2023 sind die klassischen Stereotypen – gerade beim Daten – immer noch sehr aktiv. Gleichzeitig sind es nur Klischees, die sich nutzen lassen, um die eigene Haltung und Einstellung dazu auf den Prüfstand zu stellen. Deswegen gilt fürMenschen jeden Geschlechts: Stellt eure Vorurteile und Überzeugungen immer wieder auf den Prüfstand und entscheidet selbst, wo ihr passen wollt und wo nicht.

Reifen emotionale Intelligenz und Kommunikationsfähigkeit automatisch durch mehr Lebenserfahrung?

MS: Ach, wär das schön! Leider geht das nicht von selbst. Der Volksmund sagt dazu: „Alter schützt vor Torheit nicht“. Um zu dem oben angesprochenen Selbstbewusstsein zu kommen, braucht es eine Auseinandersetzung und eine Reflektion der eigenen Geschichte, um sich selbst mit den eigenen Mustern auf die Schliche zu kommen. Zum Beispiel: Eine weit verbreitete Strategie im Umgang mit Schwierigkeiten ist die Vermeidung. Wer das „erfolgreich“ über lange Zeit praktiziert hat, wird es wahrscheinlich auch mit 50+ fortführen – und damit dieselben Erfahrungen wie bisher produzieren. Andererseits braucht es aber auch die Fähigkeit zum Vermeiden, um nicht immer in dieselben Dramen zu geraten. Das Leben ist halt komplex.

Ist es hilfreich für Männer, ihrem Date gegenüber mitzuteilen, dass sie gerade Veränderungen erleben? Wann wäre der richtige Zeitpunkt?

MS: Da gibt es keine Patentrezepte. Jede Lebensphase hält spezielle Herausforderungen bereit. Im Grunde ist das ganze Leben ein Prozess aus ständigen Veränderungen, also was ist das Besondere an den Aktuellen?Interessanter ist da der Umgang mit diesen Veränderungen. Wo sind die Herausforderungen, was gibt es zu lernen? Welche Fähigkeiten und Kompetenzen sind dazu hilfreich? Das bietet jede Menge hochwertigen Gesprächsstoff beim Daten.

Wie können der*die Partner*in Männer bei den Veränderungen im Alter unterstützen?

MS: Beziehung ist Teamwork, d. h. es gelingt– oder misslingt – zu zweit. Das Gegenüber kann keine Gedanken lesen, also geht es darum, sich mitzuteilen: In welchen Bereichen wird Unterstützung gewünscht? Wie kann diese Unterstützung aussehen: ganz pragmatisch etwas tun, ein offenes Ohr anbieten oder/und eine Schulter zum Anlehnen. Und – für viele Männer das Schwierigste – diese Unterstützung auch annehmen. Eine Beziehung ist die kleinste, aber intensivste Selbsterfahrungsgruppe. Ein Gegenüber hält einem immer wieder den Spiegel vor und zeigt: „Schau, da ist die Stelle, an der du verletzlich bist.“ Und genau da ist die Chance zur Intimität, in der erlebt werden kann, mit neuen „Schwachstellen“ auch angenommen zu werden.

Laut Zweisam Report 2023* ist Sex nur für 57 % der befragten Männer in einer Beziehung sehr wichtig. Wie wirkt sich die Andropause bzw. das Älterwerden auf das Sexleben aus? Welche Optionen haben Männer 50+ für eine erfüllte Sexualität?

MS: Die große Chance für Männer über 50 besteht darin, vom Sexkonsum zum Sexgenuss zu kommen. Das Motto „Ernten statt Ackern“ gilt auch für sexuelle Begegnungen. Zu jeder Lebensphase gehört auch eine eigene Sexualität, mit entsprechenden Qualitäten und Herausforderungen. Wo es zu Beginn des Liebeslebens häufig um Erfahrung sammeln, Selbstwertbestätigung, Experimentieren und Ausprobieren geht, steht in der zweiten Halbzeit eher die Entwicklung der Meisterschaft an: Genussfähigkeit, Aufmerksamkeit, Hingabe und Intimität.

Mythos oder Wahrheit? Nimmt die männliche Libido in zunehmendem Alter zwingend ab?

MS: Das halte ich für einen Mythos. Ziemlich sicher wird der sexuelle Reaktionszyklus mehr Zeit brauchen. Es dauert in der Regel etwas länger bis Mann in Fahrt kommt, also die Zeit von Erregung samt Erektion bis zum Höhepunkt. Das heißt aber nicht, dass die Lust auf Sex weniger wird. Entscheidend dafür ist, ob Mann – und Frau – die gelebte Sexualität den körperlichen Bedingungen anpassen kann. Der Körper sitzt da nun mal am längeren Hebel.

Welche Chancen sehen Sie für Männer über 50 hinsichtlich der Nutzung von Online-Dating?

MS: Dating-Plattformen bieten die Möglichkeit, sich von Anfang an klarer zeigen zu können und so schon früh die Möglichkeit zur Wahl zu haben. Das setzt natürlich zum einen eine Bewusstheit für das eigene Profil– mit Stärken und Schwächen – voraus, als auch die Bereitschaft, sich damit zu offenbaren. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass der erste Schritt der Kontaktaufnahme – der vielen so schwer fällt – schon gemacht ist. Es ist klar: Wer auf Dating-Plattformen investiert, hat Interesse an Begegnung und Beziehung.

Was darf sich gesellschaftlich bezüglich der Wahrnehmung von Männern 50+ ändern?

MS: Männer über 50 sind kein „altes Eisen“, sondern „alte Hasen“. Wenn es Mann gelingt, die ersten 50 Jahre gut zu nutzen, um mit sich selbst klar zu kommen, die eigenen Stärken und die eigenen Grenzen zu erkennen und sich damit selbst lieben – oder zumindest annehmen – zu können, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, mit mehr Gelassenheit, Ruhe und Zuversicht durchs Leben zu gehen. Dazu müsste sich das Bild vom Mann als lebenslang leistungsstark wandeln, denn nicht selten ackern Männer wortwörtlich bis zum Umfallen, statt auf die Veränderungen zu hören und ihr Verhalten anzupassen.

* Die verwendeten Daten beruhen auf der von Zweisam beauftragten Online-Umfrage der YouGov Deutschland GmbH, an der 909 Personen über 50 Jahren zwischen dem 10.08.2022 und 17.08.2022 in Deutschland teilgenommen haben.

Über Michael Sztenc: Michael Sztenc ist Diplom-Psychologe, Sexualtherapeut, Sexologe iSi und Autor. Der Experte für Embodiment und Sexologie ist Gastdozent an der Hochschule Merseburg, betreibt eine eigene Praxis für Paar- und Sexualtherapie und bildet klinische Sexolog*innen aus.

Photo Credit Titelbild: C. Laffitau 

Contact Presse Oracelle - Hannah Sulzbach
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